22.04.2025

Wildunfall: Wie man sie vermeidet, was im Ernstfall zu tun ist und welche Versicherung mögliche Schäden abdeckt

Ratgeber
Ein Wildunfall ist der Albtraum vieler Autofahrer. Statistisch passiert in Österreich alle sieben Minuten ein Wildunfall. Besonders betroffen ist Niederösterreich: 39 Prozent aller Wildunfälle passieren im größten Bundesland Österreichs, meistens während der Morgen- oder Abenddämmerung. Wie man sie verhindern kann, was im Ernstfall zu tun ist und wie ihr euch mit einer Kasko-Versicherung vor hohen Schäden schützen könnt, erfahrt ihr in diesem Artikel.
Autor: Patrick Aulehla | Bilder: Oliver Hirtenfelder
Eine Landstraße im Bezirk Tulln, die besonders gefährdet ist für Wildunfälle

Die Fakten: Wie oft es in Österreich zu Wildunfällen kommt

Dieses Gefühl kennt wohl jeder Autofahrer: Man fährt in der Dämmerung über eine Freilandstraße, links und rechts ziehen die Felder vorbei, im Gebüsch sieht man hin und wieder Augen funkeln. Statistisch gesehen stehen Wildunfälle auf der Tagesordnung: Laut Kuratorium für Verkehrssicherheit kommt es in Österreich jährlich zu 73.000 Wildunfällen. Anders ausgedrückt: Statistisch kollidiert alle sieben Minuten ein Wildtier mit einem Auto. Die meisten Unfälle betreffen Rehe und Hasen, besonders gefährdet ist das Bundesland Niederösterreich: Rund 39 Prozent aller Wildunfälle ereignen sich hier - das entspricht rund 28.500 Zusammenstößen pro Jahr.

Warum kommt es zu Wildunfällen?

Wildtiere handeln instinktiv - sie halten sich logischerweise nicht an unsere Verkehrsregeln. Unsere Straßen durchqueren ihren Lebensbereich, besonders während der Dämmerung ist das Wild aktiv und damit für uns Autofahrer gefährlich. Eine schlechte Kombination: Unsere Sicht ist im Dunklen eingeschränkt, wir reagieren entsprechend langsamer. Hinzu kommt der Starre-Effekt: Ein Reh kann im Licht der Scheinwerfer verharren anstatt davonzulaufen, was das Risiko zusätzlich erhöht. Ein Unfall ist dann kaum noch zu vermeiden. 

Wie lassen sich Wildunfälle vermeiden?

Ganz offen gesagt: Wildunfälle treten plötzlich auf und sind daher nie zu 100 Prozent zu verhindern. Einige Techniken können aber dabei helfen, Wildunfälle zu vermeiden, oder deren Auswirkungen zumindest zu verringern.

  • Warnschilder ernst nehmen: Auf besonders gefährdeten Straßen finden sich häufig Warnschilder, die auf erhöhte Wildwechselgefahr hinweisen. Diese solltet ihr ernst nehmen - die Statistik spricht für sich.
  • Angepasste Geschwindigkeit: Vor allem während der Dämmerung solltet ihr auf ein angepasstes Tempo achten. Das verschafft euch Zeit, um im Ernstfall reagieren zu können. Läuft euch ein Reh bei 100 km/h ins Auto, kann das zu ernsthaften Schäden - und im schlimmsten Fall zu Verletzungen - führen.
  • Abstand halten: Ausreichend Abstand zu halten ist ganz allgemein eine der effektivsten Möglichkeiten, um Unfälle zu vermeiden. Sollte ein Auto vor euch mit einem Wild kollidieren, habt ihr mehr Zeit zu reagieren und einen Schaden abzuwenden.
  • Aufmerksam sein und Straßenrand beobachten: Achtet beim Fahren nicht nur auf die Straße, sondern auch auf die Straßenränder. Reflektierende Augenpaare im Scheinwerferlicht oder Bewegungen am Fahrbahnrand können auf Wild hinweisen. Seid in solchen Momenten bremsbereit.
  • Fernlicht abblenden: Seht ihr nachts ein Tier am Straßenrand, blendet ab! Grelles Fernlicht kann Wildtiere verwirren - sie bleiben dann möglicherweise orientierungslos stehen (Starre-Effekt), oder wechseln mitten auf der Fahrbahn ihre Richtung.

Wann und wo treten Wildunfälle am häufigsten auf?

Grundsätzlich treten Wildunfälle meist in der Dämmerung - also in den frühen Morgen- oder späteren Abendstunden - auf. Geografisch ist Niederösterreich ein besonders gefährdetes Gebiet: Rund 39 Prozent aller Kollisionen mit Wildtieren werden in diesem Bundesland registriert. Der Bezirk Tulln ist leider keine Ausnahme: Speziell die L120 zwischen Tulln und Königstetten gilt als gefährlich. Erhöhte Vorsicht ist überall dort ratsam, wo Straßen neben Feldern verlaufen. 

Was solltet ihr keinesfalls tun?

  • Zu schnell fahren: Durch überhöhte Geschwindigkeit steigt das Unfallrisiko enorm. Und nicht nur das: Die Schäden, die ein Wildunfall an eurem Auto herbeiführt, fallen umso gravierender aus, umso schneller ihr unterwegs seid. Logisch, oder? Im schlimmsten Fall kann euer Fahrzeug ins Schleudern kommen - und dann wird's richtig gefährlich!
  • Hastig ausweichen: Solltet ihr nicht der Spezies Rallyefahrer angehören, heißt die beste Taktik: Bremsen (und hupen, falls ihr dafür noch die Nerven habt)! Ausweichmanöver können übel enden - im schlimmsten Fall kommt euer Auto ins Schleudern und ihr landet im Gegenverkehr. Dabei gilt es allerdings die Größe des Tieres richtig einzuschätzen (am Ende des Artikels mehr dazu).
  • Ablenken lassen: Besonders während der Dämmerung solltet ihr aufmerksam sein und euch nicht ablenken lassen. Wendet ihr den Blick nur wenige Sekunden von der Straße ab, kostet euch das viele Meter Bremsweg!

Was ist nach einem Wildunfall zu tun?

Trotz aller Vorsicht stehen Wildunfälle an der Tagesordnung. Deshalb ist es wichtig zu wissen, was im Fall der Fälle zu tun ist. Hier findet ihr eine kurze Anleitung zum Verhalten nach einem Wildunfall.

  • Unfallstelle absichern: Bringt euer Fahrzeug zum Stehen - nach Möglichkeit neben dem Fahrbahnrand. Aktiviert eure Warnblinkanlage, zieht euch eine Warnweste an und sichert die Unfallstelle sofort ab. Achtet dabei unbedingt auf eure eigene Sicherheit: Auf Freilandstraßen gilt im Regelfall Tempo 100 - vor allem in der Dunkelheit seid ihr schwer zu sehen.
  • Eigene Sicherheit und Erste Hilfe: Überprüft, ob ihr selbst und Mitfahrer verletzt seid. Bei Bedarf leistet Erste Hilfe und ruft die Rettung (Notruf 144). Die eigene Gesundheit geht vor – Blechschäden sind zweitrangig. Auch eventuelle nachfolgende Fahrzeuge solltet ihr warnen oder um Hilfe bitten.
  • Polizei verständigen (Meldepflicht): In Österreich gilt bei Wildunfällen gesetzliche Meldepflicht! Informiert also sofort die Polizei - diese verständigt den zuständigen Jäger. Das ist nicht nur wegen der Rechtslage wichtig (wer den Unfall nicht meldet, macht sich strafbar), sondern auch für das Tier: Ein verletztes Wildtier muss gesucht und versorgt werden. Wichtig: Berührt das Tier nicht und ladet es keinesfalls ins Auto! Nehmt ihr ein getötetes Wild einfach mit, macht ihr euch der Wilderei schuldig.
  • Unfall dokumentieren: Sofern gefahrlos möglich, macht Fotos von der Unfallstelle. Lasst euch vor Ort eine Unfallbestätigung ausstellen (für die Versicherung). Nehmt keine Veränderungen an der Unfallstelle vor (z. B. Tier wegziehen) - außer es ist nötig (und gefahrlos möglich), um eine weitere Gefahr zu verhindern.
  • Versicherung informieren: Wie bei allen Unfällen gilt: Meldet den Schaden unverzüglich an eure Versicherung. Grundsätzlich decken nur Kaskoversicherungen den Schaden an eurem Auto (siehe nächster Absatz). Solltet ihr aber auch andere Objekte beschädigt haben (z.B. eine Leitplanke o.Ä.), werden diese von eurer Haftpflichtversicherung übernommen.

Wildunfall und Versicherung: Wer zahlt was?

  • Haftpflichtversicherung: Falls ihr nur eine Haftpflichtversicherung habt, übernimmt diese keine Reparaturkosten nach einem Wildschaden an eurem Auto. Kommen allerdings andere Verkehrsteilnehmer oder Objekte (z.B. Leitplanken oder Straßenschilder) zu schaden, werden diese von eurer Haftpflichtversicherung gedeckt.
  • Teilkaskoversicherung: Im Regelfall werden Wildschäden, die unverschuldet erlitten werden, von Teilkaskoversicherungen gedeckt. Es gibt aber Einschränkungen: Manche Versicherungen greifen nur bei Unfällen mit Haarwild (Hasen, Rehe, Wildschweine etc.), während andere Tierarten von Versicherungsleistungen ausgenommen sind. Außerdem können Teilkaskoversicherungen ihre Leistungen auf Zusammenstöße mit lebendigen Wildtieren beschränken - wer ein bereits totes Tier überfährt und dadurch einen Schaden am Auto erleidet, geht in diesem Fall leer aus. Bei Fahrlässigkeit (z.B. überhöhte Geschwindigkeit) steigen Teilkaskoversicherungen ebenfalls aus - allerdings muss dieses Fehlverhalten von der Versicherung nachgewiesen werden. Checkt am besten eure Polizze - dort sind alle Vertragsbedingungen angeführt.
  • Vollkaskoversicherung: Eine Vollkaskoversicherung greift bei allen Unfällen mit Wildtieren und anderen Tieren - auch bei eigenem Verschulden. Allerdings wird man nach der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen bei selbstverschuldeten Unfällen in eine ungünstigere Schadensklasse eingestuft.

Vorsicht vor Auffahrunfällen

Grundsätzlich ist zu beachten: Aus Vollbremsungen resultierende Auffahrunfälle bei Kleintieren (z.B. Eichhörnchen) können eine Teilschuld zur Folge haben. Entscheidend ist hier die Größe des Tieres: Birgt eine Kollision aufgrund der Geschwindigkeit und/oder Größe des Tieres ein erhebliches Risiko für die Insassen, ist eine Vollbremsung gerechtfertigt. Ist die Vollbremsung gefährlicher für die nachkommenden Autos als die Kollision mit dem Wild, ist mit einer Teilschuld zu rechnen.