30.08.2024

Assistenzsysteme 2024: Was sie können und welche Systeme seit Juli 2024 Pflicht sind

Ratgeber
Assistenzsysteme sollen uns dabei helfen, sicherer mit dem Auto zu fahren. Seit Juli 2024 werden bestimmte Fahrhilfen per EU-Verordnung vorgeschrieben. Sind diese nicht an Bord, kann das entsprechende Fahrzeug nicht zum Verkehr zugelassen werden. Wir werfen einen Blick auf die wichtigsten Systeme und zeigen euch, welche seit heuer verpflichtend verbaut werden müssen.
Autor: Patrick Aulehla | Bilder: Porsche Holding, Waymo
Ein Kollisionswarner verhindert den Zusammenstoß zwischen Auto und Fahrradfahrer

Assistenzsysteme (auch ADAS - Advanced Driver Assistance Systems - genannt) gehören in modernen Fahrzeugen zur Standard-Ausstattung. Der Funktionsumfang dieser Fahrhilfen ist groß - beginnend bei einfachen Helferlein wie dem lange bekannten Tempomaten, über Notbrems-Assistenten oder Geschwindigkeits-Warner bis hin zur aktiven Spurführung oder Stau-Assistenten. Diese Systeme zielen alle darauf ab, das Autofahren sicherer zu machen - mit Erfolg, wie neben der EU auch zahlreiche Verkehrsclubs und Aufsichtsorgane bestätigen.

Ein Kollisionswarner verhindert den Zusammenstoß mit einem Radfahrer
Der Radfahrer dankt: Per Ausstiegswarner können Kollisionen mit herannahenden Verkehrsteilnehmern verhindert werden. © Porsche Holding

Welche Assistenzsysteme gibt es und welche sind seit 2024 verpflichtend?

Mit nachfolgender Liste möchten wir euch einen Überblick über die gängigsten Assistenzsysteme geben, die ihr in neuen Fahrzeugen finden könnt. Außerdem zeigen wir euch, welche Systeme seit Juli 2024 verpflichtend sind. Wichtig: Diese Verpflichtung gilt nur für per 7. Juli 2024 neu zugelassene Fahrzeuge. Ältere Fahrzeuge, Gebrauchtwagen, Kurzzulassungen etc. müssen nicht mit diesen Systemen nachgerüstet werden und können weiterhin zugelassen werden.

1. Adaptiver Tempomat (ACC - Adaptive Cruise Control)

  • Funktion: Der adaptive Tempomat ist eine Erweiterung des herkömmlichen Tempomats. Er kann nicht bloß eine vorgegebene Geschwindigkeit halten, sondern passt diese automatisch an den Verkehrsfluss an, indem er den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug reguliert. Wenn ihr mit eurem Auto beispielsweise 130 km/h auf der Autobahn fahrt und das vor euch fahrende Fahrzeug seine Geschwindigkeit auf 100 km/h reduziert, dann reduziert der adaptive Tempomat auch die Geschwindigkeit eures Autos auf 100 km/h.
  • Verpflichtung: Nicht verpflichtend

2. Notfall-Spurhalteassistent

  • Funktion: Der Notfall-Spurhalteassistent erkennt Fahrbahnmarkierungen und greift aktiv mit einer automatischen Lenkbewegung ein, wenn das Fahrzeug unbeabsichtigt die Spur verlässt. Der Fahrer kann dieses System auch "overrulen", also die Lenkbewegung von Hand korrigieren.
  • Verpflichtung: seit 7. Juli 2024

3. Spurhalteassistent mit aktiver Spurführung

  • Funktion: Der Spurhalteassistent mit aktiver Spurführung hält das Fahrzeug aktiv in der Spur. Das bedeutet, er greift nicht erst im Notfall ein, sondern kann beispielsweise auf der Autobahn Kurven fahren und damit den Fahrer entlasten. Dieses System wird üblicherweise gemeinsam mit einem adaptiven Tempomaten genutzt und gehört zu den fortschrittlicheren Assistenten.
  • Verpflichtung: Nicht verpflichtend

4. Notbremsassistent (Emergency Brake Assist, EBA)

  • Funktion: Der Notbremsassistent erkennt potenzielle Kollisionen und leitet bei Gefahr selbstständig eine Notbremsung ein, um die Schwere des Aufpralls zu reduzieren oder einen Unfall zu verhindern.
  • Verpflichtung: seit Juli 2022

5. Totwinkelassistent (Blind Spot Sensor)

  • Funktion: Der Totwinkelassistent überwacht den toten Winkel des Fahrzeugs und warnt den Fahrer über optische und/oder akustische Signale, wenn sich ein anderes Fahrzeug in diesem Bereich befindet und/oder man beabsichtigt, die Spur zu wechseln, während sich ein anderes Fahrzeug im toten Winkel befindet.
  • Verpflichtung: Nicht verpflichtend

6. Einparkassistent (Park Assist)

  • Funktion: Der Einparkassistent ist eine teilautonome Fahrfunktion, mit der das Fahrzeug die Lenkbewegungen beim Einparken übernimmt und selbstständig in eine Parklücke findet. Der Fahrer muss lediglich beschleunigen und bremsen.
  • Verpflichtung: Nicht verpflichtend

7. Verkehrszeichenerkennung und Geschwindigkeitswarner (ISA)

  • Funktion: Die Verkehrszeichenerkennung erkennt Verkehrsschilder, insbesondere Geschwindigkeitsbegrenzungen, und zeigt diese dem Fahrer an. Bei überschreiten der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit wird der Fahrer akustisch und optisch gewarnt (Geschwindigkeitswarner). Einige Systeme können die Fahrtgeschwindigkeit bei Nutzung des Tempomaten auch automatisch an die Vorgaben anpassen.
  • Verpflichtung: seit 7. Juli 2024

8. Müdigkeitserkennung (Driver Attention Assist)

  • Funktion: Die Müdigkeitserkennung überwacht das Fahrverhalten des Fahrers, erkennt Anzeichen von Müdigkeit (beispielsweise durch ruckartige Lenkbewegungen oder ungewöhnliche Augenbewegungen) und ermahnt den Fahrer, eine Pause einzulegen.
  • Verpflichtung: seit 7. Juli 2024

9. Stauassistent

  • Funktion: Der Stauassistent ist eine Teilfunktion des adaptiven Tempomaten, die das Fahrzeug bis zum Stillstand abbremsen und nach dem Stillstand wieder anfahren kann. Oft wird dieses System mit dem aktiven Spurhalteassistent kombiniert, um das Fahrzeug in Stausituationen bei niedrigen Geschwindigkeiten quasi autonom fahren zu lassen. Achtung: Bei Stau muss in Österreich (und auch in Deutschland) eine Rettungsgasse gebildet werden! 
  • Verpflichtung: Nicht verpflichtend

10. Fernlichtassistent

  • Funktion: Der Fernlichtassistent schaltet automatisch zwischen Abblend- und Fernlicht um, um die Sicht zu verbessern und andere Verkehrsteilnehmer nicht zu blenden. Viele Fahrzeuge (meist höherpreisige Modelle) bieten mittlerweile sogenannte Matrix-LED-Scheinwerfer an, die den Gegenverkehr gezielt ausblenden können, die Umgebung aber weiterhin mit Fernlicht bestrahlen.
  • Verpflichtung: Nicht verpflichtend

11. 360-Grad-Kamera

  • Funktion: Die 360-Grad-Kamera bietet eine Rundumsicht auf das Fahrzeug (Vogelperspektive), indem es Bilder von mehreren Kameras kombiniert und auf einem Bildschirm anzeigt, um das Einparken und Manövrieren zu erleichtern.
  • Verpflichtung: Nicht verpflichtend

12. Rückfahrassistent

  • Funktion: Der Rückfahrassistent überwacht beim Rückwärtsfahren den Bereich hinter dem Fahrzeug und erkennt Passanten oder Hindernisse. Im Notfall leitet das System selbstständig eine Notbremsung ein.
  • Verpflichtung: seit 7. Juli 2024

13. Spurwechselassistent (Lane Change Assist)

  • Funktion: Der Spurwechselassistent unterstützt den Fahrer beim Spurwechsel, indem er selbstständig einen Spurwechsel einleitet, wenn dies gefahrlos möglich ist.
  • Verpflichtung: Nicht verpflichtend

15. Nachtsichtassistent (Night Vision Assist)

  • Funktion: Nachtsichtassistenten verwenden Infrarotkameras, um Hindernisse oder Personen im Dunkeln zu erkennen und diese auf einem Display anzuzeigen. Diese Systeme sind üblicherweise nur in sehr hochpreisigen Fahrzeugen verfügbar und zielen darauf ab, Unfälle in der Nacht, beispielsweise durch Wildwechsel, zu vermeiden.
  • Verpflichtung: Nicht verpflichtend

16. Head-up-Display (HUD)

  • Funktion: Projiziert wichtige Fahrinformationen direkt auf die Windschutzscheibe oder auf eine kleine Glasscheibe vor der Windschutzscheibe, damit der Fahrer den Blick nicht von der Straße abwenden muss. Head-up-Displays waren früher hochpreisigen Fahrzeugen vorbehalten. Mittlerweile gibt es sie aber in vielen verschiedenen Fahrzeugtypen.
  • Verpflichtung: Nicht verpflichtend

17. Adaptives Bremslicht

  • Funktion: Das adaptive Bremslicht signalisiert nachkommenden Fahrzeugen eine Notbremsung mittels "flackerndem" Bremslicht. Dieses System soll andere Verkehrsteilnehmer auf eine besonders starke Bremsung hinweisen und Auffahrunfälle vermeiden.
  • Verpflichtung: seit 7. Juli 2024

18. Ausstiegswarner

  • Funktion: Der Ausstiegswarner warnt den Fahrer vor herannahenden Verkehrsteilnehmern, bevor oder währenddessen er die Fahrzeugtüre öffnet. Damit sollen Kollisionen mit Fahrradfahrern oder E-Scootern verhindert werden.
  • Verpflichtung: Nicht verpflichtend

Zusätzlich zu den genannten Systemen müssen Neufahrzeuge seit dem 7. Juli 2024 außerdem mit einem Unfalldatenspeicher und einer Schnittstelle für alkoholempfindliche Wegfahrsperren ausgerüstet sein (wobei das Kontrollgerät, der "Alkomat", nicht Bestandteil der Verordnung ist).

Autonomes Fahren – Von der Vision zur Realität

Die Spitze der Assistenzsysteme bildet das autonome Fahren. Hierbei handelt es sich um Fahrzeuge, die ohne menschliche Eingriffe fahren können. Autonome Autos sind mit einer Vielzahl von Sensoren, Kameras und Radarsystemen ausgestattet, die es ihnen ermöglichen, ihre Umgebung zu analysieren und in Echtzeit darauf zu reagieren. Allerdings: In der EU sind autonome Fahrzeuge bislang noch nicht zum Verkehr zugelassen. Anders sieht die Sache beispielsweise in den USA aus.

Waymo: Robotertaxis in Phoenix, San Francisco und Kalifornien

Ein Unternehmen, das im Bereich autonomes Fahren eine Vorreiterrolle einnimmt, ist Waymo, ein Tochterunternehmen von Alphabet (dem Mutterkonzern von Google). Waymo entwickelt seit Jahren autonom fahrende Fahrzeuge und betreibt bereits kommerzielle Fahrdienste in Phoenix, Arizona, in San Francisco und in Kalifornien, bei dem Fahrgäste völlig autonom von einem Ort zum anderen gebracht werden. Diese Fahrzeuge navigieren durch komplexe Verkehrssituationen und nutzen hochentwickelte künstliche Intelligenz, um Hindernisse zu erkennen und sicher zu agieren.

Ein selbstfahrendes Taxi von Waymo
Ein autonom fahrendes Taxi von Waymo. © Waymo

Die Bedeutung von Waymo für die Zukunft der Mobilität

Waymo zeigt, wie weit die Technologie des autonomen Fahrens bereits fortgeschritten ist. In den letzten Jahren hat das Unternehmen Millionen von Kilometern in verschiedenen Verkehrssituationen zurückgelegt – sowohl in digitalen Simulationen als auch in der realen Welt. Diese Erfahrungen fließen in die ständige Weiterentwicklung der Systeme ein und verbessern das autonome Fahrerlebnis. Auch für Europa könnte diese Entwicklung bahnbrechend sein, da immer mehr Städte und Länder den Einsatz autonomer Fahrzeuge erproben und entsprechende Regelungen schaffen.

Falls euch die selbstfahrenden Taxis von Waymo interessieren, haben wir hier einen YouTube-Erfahrungsbericht verlinkt (Englisch): https://www.youtube.com/watch?v=JHgr9SgeicM

Fazit

Assistenzsysteme und autonome Technologien haben das Potenzial, einerseits die Sicherheit im Verkehr zu erhöhen und andererseits die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, grundlegend zu verändern. Während die vollständige Autonomie zumindest in Europa noch ein paar Jahre entfernt sein mag, vermindern Assistenzsysteme schon heute die Auswirkungen und sogar das Auftreten von Unfällen.

Für alle, die mit Assistenzsystemen nicht viel anfangen können: Die meisten Systeme (Geschwindigkeitswarner, Spurhalteassistent, Notbremsassistent etc.) können über das Menü eures Fahrzeugs deaktiviert werden.